Der ganz normale Wahnsinn - November 2008

Und zum Abschluss des Tages noch eine inzwischen ganz normale Form des Wahnsinns:
Virales Marketing der Allianz
Rund 20.000 USB-Sticks hat die Allianz ProzessFinanz mit der Aktion Meine Gesetze unters Volk gebracht. Ein Teil davon enthielt nicht nur Gesetzestexte sondern auch einen ungebetenen Gast: Einen Wurm der Viking-Familie, der sich unter anderem über Netzwerkfreigaben fortpflanzt.

Was ist für einen Cracker das Äquivalent eines Lottogewinns?
Eine SQL injection in dieser Datenbank...

Britische Gendatenbank sammelt Daten einer Million Minderjähriger
Darunter waren 100.000 Kinder, die unter 13 Jahre alt waren, als ihre DNA erfasst wurde. Mehr als 500.000 waren zwischen 13 und 15 Jahre alt. [...] Seit 2004 kann die Polizei von allen Personen, die einer Straftat verdächtigt werden, ein DNA-Profil erstellen und unbefristet speichern – selbst wenn die Person vor Gericht für unschuldig erklärt oder aus Mangel an Beweisen freigesprochen wird.
Ein Strang, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden

Was fehlt hierzulande eigentlich noch an Orwells Vision? Mir fällt nicht mehr viel ein, selbst der Begriff Überwachungsstaat wurde durch verfassungskonforme Demokratie ersetzt.
Und besteht überhaupt noch ein Unterschied zwischen der Stasi und all den staatlichen Organisationen, die heutzutage für Sicherheit in Deutschland sorgen sollen?

Verfassungsschutz stellt Überwachung von Bürgerrechtler ein
Dr. Rolf Gössner ist Rechtsanwalt, Mitherausgeber des mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichneten Grundrechte-Reports, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und Jury-Mitglied bei den Big Brother Awards. [...] Laut Gössners Anwalt Udo Kauß konnte das Bundesamt für Verfassungsschutz bisher nicht plausibel darlegen "weshalb die geheimdienstliche Beobachtung [...] über einen Zeitraum von 38 Jahren zum Schutz der Verfassung notwendig gewesen sein soll".

Wieder eine tolle Aktion der Yes Men:
The New York Times - Special Edition July 4th 2009
Ausnahmsweise kann ich in einer Zeitung mal die Werbung und das Kleingedruckte empfehlen.

Kaum sind die Überwachungsgesetze verabschiedet, geht es auch gleich los:

Berliner Justiz lässt Bombe platzen
"Herstellung von Explosivstoffen": Wohnungsdurchsuchung bei Telepolis-Autor Burkhard Schröder. Computer beschlagnahmt
Zugegeben, das ist jetzt etwas zu polemisch, da es sich - soweit bekannt - um keine Überwachung sondern eine direkte Durchsuchung handelt. Trotzdem finde ich den zeitlichen Zusammenhang auffällig, da es sich immerhin um einen bekannten Gegner der beschlossenen Überwachung handelt.

Wie es sich schon andeutete, ist der Überwachungsstaat jetzt fest im Gesetz verankert worden.

Bundestag verabschiedet BKA-Gesetz mit heimlichen Online-Durchsuchungen
[...] Das künftige Arsenal für das BKA umfasst Befugnisse für bundesweite Rasterfahndungen unter Einschluss von Datensammlungen "nicht-öffentlicher Stellen", die präventive Telekommunikationsüberwachung einschließlich Abhören der Internet-Telefonie sowie zum großen Späh- und Lauschangriff auf Wohnräume mit winzigen Kameras und Wanzen. Die Ermittler dürfen zudem Verbindungs- und Standortdaten abfragen, Mobiltelefone mit dem IMSI-Catcher orten und Platzverweise erteilen.

Zwar sind einige Maßnahmen wie die heimliche Online-Durchsuchung nur zeitlich beschränkt genehmigt worden. Allerdings fallen mir nur wenige Gründe für eine zeitliche "Beschränkung" von 12 Jahren ein. Genau genommen nur einer, nämlich Bedenken zu zerstreuen.
Damit verglichen, erscheinen die Notstandsgesetze von 1968 überwiegend harmlos.

Das BundesKontrollAmt ist kurz davor, sich den Etat für die nächsten Jahrzehnte zu sichern:

Innenausschuss des Bundestags beschließt heimliche Online-Durchsuchungen
[...] Dem BKA sollen damit unter anderem auch Befugnisse für bundesweite Rasterfahndungen, die präventive Telekommunikationsüberwachung einschließlich Abhören der Internet-Telefonie sowie zum großen Späh- und Lauschangriff auf Wohnräume zur Bekämpfung des Terrorismus gegeben werden.

Dieser "neue" Trend ist eigentlich schon ein alter Hut, Idoru ist schließlich schon vor über 10 Jahren erschienen. Trotzdem ist interessant wie die Realität langsam von der Fiktion eingeholt wird.
Japaner will Manga-Mädchen heiraten
Schwer verliebt in eine Comic-Figur: In ihre zweidimensionale Welt kann er nicht einziehen, aber zumindest die Ehe zwischen Menschen und Manga-Wesen will ein Japaner legalisieren. Zu diesem Zweck hat er eine Online-Petition gestartet.
Mal schauen wie lange es dauert, bis die Leute, die sich im Virtuellen verloren haben, mal wieder auf die Realität stoßen. Ich frage mich zumindest, wie man bei so einer Art von Ehe eine gegenseitige Einwilligung sicherstellen will. Und wie viele Männer dann mit derselben Comic-Figur "verheiratet" sein werden. Das dürfte sicherlich auch ein Grund für ganz reale Eifersucht werden.